Grusswort Clemens J. Vedder
210 Milliarden Euro. Damit ist nicht der Staatshaushalt von Schweden gemeint. Dies ist die exorbitante Summe, die 20 der weltweit größten Banken seit Ausbruch der Finanzkrise für Bußgelder, Entschädigungszahlungen und für Verstöße gegen Sanktionsbestimmungen ausgeben mussten. Und längst sind noch nicht alle Rechnungen bezahlt . . .
Mit an der Speerspitze der Büßer – die Deutsche Bank. Bisher kam der Abbau der Altlasten schleppend voran, jedoch scheinen mir John Cryan und sein fähiges Team den glaubhaften Willen zu haben, den Wandel erfolgreich herbeizuführen. Nun drängt auch die Zeit, das Schiff endlich hochseetauglich zu machen, sehen doch nicht nur die Matrosen im Krähennest von Goldman Sachs die dritte Welle der Finanzkrise auf uns zurollen. Die Indikatoren: kontinuierlich fallende Rohstoffpreise, kaum Wachstum in den Schwellenländern und ein globaler Trend zu sehr niedriger Inflation.
Auch wenn Institutionen wie der IWF bezüglich des Zustands der Weltwirtschaft Optimismus verbreiteten, erklingen vielerorts Kassandrarufe wie der von der weltgrößten Reederei für Containerschifffahrt. Wie wohl kein anderes Unternehmen hat Mærsk als Lastkahn der Weltwirtschat sein Ohr am Puls der Konjunktur und warnt öffentlich, dass der Zustand schlechter sei als offiziell angezeigt. Auch die Erholung in den USA, der vermeintlichen Lokomotive der globalen Konjunktur, ist, entgegen vielfacher Beteuerungen, schwach. In den vergangenen sechs Jahren wuchs die Wirtschaft gerade mal um durchschnittlich 2,2 Prozent. Halb so stark wie die Erholung nach den vorherigen vier Krisen.
Neben der nun folgenden Summe sind die Strafzahlungen der internationalen Großbanken lächerlich gering. Insgesamt rund 12 Billionen Dollar haben die weltweiten Notenbanken seit Beginn der Finanzkrise in die dümpelnden Märkte gepumpt. Mit aneinandergereihten 100-Dollar-Noten könnte mit dieser Summe die Entfernung von der Erde zum Mond fast 50-mal ausgelegt werden, berichtete jüngst die Tageszeitung Die Welt. Die Finanzstabilität wird durch die Niedrigzinsen massiv gefährdet. Die Notenbanker müssen endlich einsehen, dass in einer Welt mit verschwindend geringer Inflation die Fixierung auf ein Inflationsziel obsolet ist.
Auch die angestrebten höheren Investitionen werden bisher mit der expansiven Geldpolitik nicht bewirkt. Vier potentielle Gründe dafür wurden jüngst im Handelsblatt formuliert: 1. Die Finanzkrise hat die Firmen nachhaltig traumatisiert. 2. Die Privatwirtschaft hat es in vielen Ländern der Euro-Zone nicht geschafft, sich wesentlich zu entschulden – das liegt u.a. daran, dass in Europa zu wenige Banken abgewickelt wurden. 3. Wichtige Märkte benötigen weitere strukturelle Reformen. 4. Die moderne digitale Wirtschaft ist weniger kapitalintensiv, so hat sich seit den 1970er Jahren der Preis für Investitionen in computergestützte Maschinen halbiert.
Solange die Politik harte Strukturreformen scheut, bleibt die Konjunktursteuerung in den Händen der Hexenmeister des Geldes. Dabei muss nicht nur der Verbraucher dringend weg vom Kredit und wieder hin zum lohnenswerten Sparbuch. In den USA kursiert zurzeit das Oxymoron der »gut verdienenden Armen«. Trotz guter Gehälter sind zu viele Verbraucher aufgrund der niedrigen Zinsen verführt, oftmals unsinnig Kredite aufzunehmen. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: je länger die Zinsen nahe Null bleiben, desto mehr wächst die Gefahr von Blasen auf dem Aktien-, Anleihe- und Immobilienmarkt. Nach einer äußerst robusten Entwicklung auf dem US-amerikanischen Häusermarkt kam es im vergangenen September zu einem extremen Einbruch der Häuserpreise – ein Menetekel. Eine weitere fiskalpolitische Expansion zum Kampf gegen eine Rezession können wir uns vermutlich schlicht nicht leisten.
Gute Nacht sagt
Ihr Clemens J. Vedder
GOLDSMITH Group: http://goldsmithcapitalpartners.com/